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Sicherlich hast du schon mal von der Lehrerrolle gehört. Vielleicht hast du dich auch schon mal gefragt, was das eigentlich genau ist. Oder du bist dir noch im Unklaren, wie du diese Rolle schlussendlich ausfüllen willst. In diesem Blog-Beitrag möchte ich deine Augen und dein Herz öffnen für diese wunderbare und doch so herausfordernde Rolle.

Ich meine, zu Beginn ist es nützlich, sich grundsätzlich mit den Merkmalen dieser Rolle zu beschäftigen. Würden wir die Lehrerrolle mit den Rollen eines Theaterstücks oder auch eines Films vergleichen, welcher Rolle käme sie wohl am nächsten? Der des Dieners, der Hexe, des Zauberers, der weisen Alten, des Königs, der Mutter oder gar des Clowns? All diese Rollen haben ihre besonderen Rollenmerkmale und ihren eigenen Status, sprich ihre eigene Stellung im Vergleich zu den anderen Rollen. In meinen Live-Workshops lasse ich meine Teilnehmer*innen gerne selbst kurz in die verschiedenen Rollen hineinschlüpfen. Sie können dann – vorausgesetzt, sie lassen sich darauf ein – hineinspüren, wie sich eine Rolle anfühlt und welche ihnen für ihren beruflichen Alltag nützlich sein könnte.

Sehr oft kristallisiert sich dabei der König bzw. die Königin als eine geeignete Rolle heraus, manchmal allerdings mit dem Einwand, dass der König doch viel zu sehr von oben herab (auf das Volk) blicken würde. Aber auch der Diener ist meinen Workshop-Teilnehmer*innen oft sympathisch. Schließlich seien wir als Lehrer*innen ja in einem helfenden Beruf unterwegs. Es lohnt sich also, einmal einen Blick auf diese beiden Rollen zu werfen.

Diener und König

Welche Rollenmerkmale hat also ein typischer Diener? Er ist flink und fleißig und führt gehorsam die Befehle seines Herrn aus. Bestenfalls liest er ihm seine Wünsche sogar von den Lippen ab. Oft zeigen Diener im Theater eine unterwürfige, sogar leicht gebeugte Haltung. Ihre Bewegungen sind hektisch und klein, nehmen also kaum Raum ein. Von seiner Stellung her ist der Diener also eindeutig als niedrig anzusehen. Im Theater spricht man vom sogenannten Tiefstatus.

Der König oder die Königin hingegen sind im Hochstatus. Ihre Bewegungen sind ruhig und bedeutungsvoll. Sie sind Herrscher über Zeit und Raum und schreiten im Theater langsam, mit erhobenem Haupt und betont aufrecht über die Bühne. Der König bzw. die Königin hat die Macht und trifft die Entscheidungen, von denen ihr Volk abhängig ist.

Ahnst du es schon? Richtig! Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Die Rolle des Königs ist am ehesten mit der Lehrerrolle vergleichbar. Wenn sich in dir jetzt ein gewisser Widerstand regt, atme tief durch und lies weiter. Es ist nicht so schlimm, wie du vielleicht denken magst.

Die Lehrerrolle gleicht der des Königs

Ebenso wie ein/e König*in, hast auch du als Lehrer*in die Macht und triffst Entscheidungen für andere, in deinem Fall für deine Schülerinnen und Schüler. Du hast die Macht, über ihre Noten zu entscheiden. Du korrigierst Klassenarbeiten und Lernkontrollen und beurteilst die Leistungen. Du entscheidest mit darüber, ob ein Schüler versetzt wird oder nicht und bestimmst damit über seine weitere Schullaufbahn. Ganz zu schweigen von all den Entscheidungen, die du in Bezug auf deine Unterrichtsvorbereitung und deinen Umgang mit Störungen und Konflikten in deiner Klasse triffst.

Als Lehrer*in bist du zudem im Hochstatus. Auch wenn wir uns von der Gesellschaft mehr Anerkennung wünschen würden, sind wir doch eine Berufsgruppe mit hoher Stellung, sprich mit viel Macht. Genau das macht unseren Schüler*innen, aber auch ihren Eltern in gewissen Situation zu schaffen. Sie fühlen sich uns gegenüber hilflos, ja machtlos, weil es eben wir Lehrer*innen sind, die über Noten, eine Versetzung etc. entscheiden.

Nun magst du vielleicht denken: „Ja, aber dabei bin ich doch nicht so arrogant, herzlos und von oben herab wie ein König oder eine Königin!“ Ein berechtigter Einwand! Aber du darfst wieder durchatmen. 😉 Von der inneren Haltung her ein König oder eine Königin und damit im Hochstatus und sich seiner Entscheidungsmacht bewusst zu sein, ist etwas sehr Positives und bedeutet nicht, dass du dies mit Arroganz und herzloser Strenge nach außen tragen musst. Vielmehr darfst du diese Rolle für dich annehmen und sie dann mit deiner ganz eigenen Persönlichkeit füllen. Du kannst empathisch und herzlich sein, humorvoll und locker oder auch fair, professionell distanziert, anspruchsvoll, gut strukturiert und gewissenhaft. Alle Aspekte deiner Persönlichkeit, die deiner Arbeit als Lehrer*in zuträglich sind, haben hier ihren Platz und machen dich zu etwas Besonderem.

Eine Lehrerrolle – unterschiedliche Lehrerpersönlichkeiten

Unsere Schülerinnen und Schüler profitieren von unterschiedlichen Lehrerpersönlichkeiten, weil sie dadurch eine größere Bandbreite an Identifikationsmöglichkeiten bzw. passenden Bezugspersonen haben. Entscheidend ist, dass sich jede Lehrperson, ob sie nun humorvoll und entspannt oder anspruchsvoll und streng ist, über ihre Rolle bewusst ist und aus ihr heraus agiert. Denn dadurch ist das, was wir als Lehrer-Schüler-Verhältnis bezeichnen, wohltuend geklärt und Grenzen werden gewahrt.

Wenn wir ehrlich sind und zurück an unsere eigene Schulzeit denken, mochten wir genau diese Lehrerinnen und Lehrer, die freundlich, humorvoll, vielleicht sogar locker, aber in Bezug auf ihre Rolle stets ganz klar waren. Diejenigen aber, die uns gefallen wollten, mal so und mal so agierten und sich von uns um den Finger wickeln ließen, konnten wir irgendwann nicht mehr ernst nehmen.